Die Augen waren noch klein, die Aufregung umso größer. Um 6.02 Uhr begann die Reise auf dem Meller Bahnhof. Nur dreieinhalb Stunden später bemerkten die Schüler, dass in Berlin immer etwas los ist. Zwischen Hauptbahnhof und Kanzleramt waren die Sicherheitsvorkehrungen enorm. Dort wehte die israelische Flagge als Ankündigung des Staatsbesuches. Ein paar Meter weiter standen schon gepanzerte Limousinen und das Ehrenkorso der Motorradpolizei bereit.
Vorbei am ARD-Hauptstadtstudio, dann eingebogen in die Prachtstraße „Unter den Linden“ mit dem Innenhof der ZDF-Dependance, marschierte die 9a hin zu Schinkels „Neuer Wache“. Die ist inzwischen „Zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“. Dort lagen noch die Kränze des Bundespräsidenten und des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge von der Niederlegung am Volkstrauertag. Das war zugleich ein besonderes Erlebnis für die Klasse 9a, schließlich führt sie mit der 9b in diesen Tagen die Straßensammlung für den Volksbund in Melle durch.
Nächste Station war der Berliner Dom. In der evangelischen Kirche stiegen die Schüler über alle Treppen bis in die Kuppel und orientierten sich bei klarer Sicht über den Dächern von Berlin.
Dann ging es zurück zum Brandenburger Tor, vorbei an den Gedenkkreuzen der an der Mauer ermordeten DDR-Flüchtlinge. Vor dem Reichstag stellten sich die 25 Schüler mit ihrem Lehrer an der überdimensionalen „Flagge der Einheit“ zum Gruppenbild auf.
Fast eine Stunde lang durften sie auf der Besuchertribüne die Debatte im Plenarsaal verfolgen. Lebendig verlief im Anschluss die Diskussion mit dem Bundestagsabgeordneten André Berghegger. Für die Neuntklässler ist er kein Unbekannter. Berghegger besuchte schon als Bürgermeister regelmäßig Veranstaltungen der Ratsschule.
Eines der zentralen Themen dabei war der mögliche Kriegseinsatz deutscher Truppen in Syrien. „Die Entscheidung habe ich mir nicht leicht gemacht“, sagte Berghegger den Ratsschülern, „nach heutigem Stand werde ich morgen für die Beteiligung der Bundeswehr stimmen“. Die Anschläge von Paris seien für alle ein unvorstellbares Ereignis. Damit sei der „Terror in unserem Wohnzimmer angekommen“. Weiter berichtete Berghegger über seine Arbeit in den wichtigen Ausschüssen für „Haushalt“ und „Inneres“. Die würden manchmal bis in die frühen Morgenstunden tagen. Ob Berghegger denn auch von Angela Merkel schon eine SMS bekommen habe, wollte ein Ratsschüler wissen. Die Kanzlerin sei ja bekannt für ihre „SMS-Politik“. "Das ist noch nicht vorgekommen", lachte Berghegger. „Gestern war ich aber mit den Kollegen vom Haushaltsausschuss bei der Bundeskanzlerin zum Abendessen eingeladen.“
Viele Fragen, viele Antworten, wenig Zeit an einem Tag in Berlin. Im Anschluss an den Besuch bei André Berghegger besichtigte die Gruppe das Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Am Potsdamer Platz blieb etwas Freizeit.
Was bei der Rückfahrt in den Grönegau folgte, war dann keine echte Überraschung. Der Zug der Deutschen Bahn trudelte um 23.10 Uhr mit 74 Minuten Verspätung in Melle ein.